Seit April 2016 begeistert die Demo von Budget Cuts VR-Spieler. Nun ist das finale Spiel erschienen – wir haben es natürlich sofort getestet.
Vor zwei Jahren war die Auswahl hochwertiger VR-Spiele noch recht bescheiden – doch die kleine Demo eines VR-Schleichspieles sorgte für begeisterte Nutzer. Budget Cuts erwies sich schon in dieser frühen Form als grandioses Konzept. Kein Wunder, dass wir in den folgenden Jahren regelmäßig die VR-News gecheckt haben, ob sich bei der Entwicklung endlich etwas getan hat. Nun ist es tatsächlich so weit, Budget Cuts ist erschienen. Wir haben uns für euch die Frage gestellt: Reicht das jetzt gezeigte, um dem Hype gerecht zu werden?
Ein wahnsinniger Großkapitalist, der seine Mitarbeiter aus Kostengründen gegen Roboter austauscht. Das klingt jetzt weniger nach der Hintergrundgeschichte eines spannenden Computerspieles als nach einer belanglosen Meldung in den Nachrichten. Bei Budget Cuts sind wir allerdings einer dieser Mitarbeiter..
Wir haben uns schon gedacht, dass da irgend etwas nicht stimmen kann, wenn immer mehr menschliche Kollegen verschwinden, bewaffnete Roboter in den Büros herumwandern und zwar leckere Kekse aber keine lästernden Kollegen im Aufenthaltsraum herumstehen.
Du bist in Gefahr, Neo
Schon der Anfang des Spieles wirft uns in eine Szene, die verdächtig an den Beginn von „Matrix“ erinnert: Wir arbeiten in einem Minibüro als uns ein (Robo-)Kollege einen Pager reicht, auf dem eine Nummer blinkt. Wir greifen also den Hörer unseres Fax-Telefons und rufen beherzt an.
Dort stellt sich uns eine Dame namens Winta vor, die uns per Faxnachrichten und Anrufen nützliche Tipps gibt. Zu Beginn hat sich allerdings nur eine Warnung für uns, nach der wir uns wie einst Neo fühlen. Wir sind in Gefahr und sollen flüchten!
Praktisch: Sie hat uns netterweise einen Translokator hinterlassen, mit dem wir uns über kurze Strecken teleportieren können. Noch praktischer: Vorher können wir sogar durch das Portal schauen um uns am Zeil in Ruhe umzuschauen. Wachroboter, ihr erinnert euch?
Teleportsteuerung mit Pfiff
Viele VR-Gamer verweigern sich Spielen ohne freie Fortbewegung konsequent. Bei Budget Cuts wäre das ein Fehler. Zwar bietet das Spiel keine free Locomotion, nicht einmal optional und für kurze Strecken, dafür ist aber auch das gesamte Spielprinzip rund um den Teleport herumgestrickt.
Die Entwickler haben damit aus der Not der frühen VR-Entwicklung eine Tugend gemacht: 2016 galt Teleport als so ziemlich die einzige brauchbare VR-Steuerung, ohne das Spiel mit Kotztüten ausliefern zu müssen. Es hat sich einiges getan seitdem, trotzdem bin ich Budget Cuts nicht böse für die fehlende free Locomotion.
Denn das Teleportieren funktioniert super, zuverlässig und es hat genau den zusätzlichen Pfiff, der es am Ende spannend macht. Das Teleportieren ist hier nicht nur ein Krüppel für überforderte Gamedesigner sondern eines der wichtigsten Spielelemente!
So lassen sich viele Räume nur erreichen, indem wir Lüftungsgitter abschrauben und uns beherzt durch die Lücke teleportieren. Und auch die Begegnungen mit den Wachrobotern sind packend weil wir uns mit etwas Glück und Geschick noch kurz vor dem tödlichen Treffer in Sicherheit teleportieren können. Oder auch nicht, Pech gehabt.
Knobeln, Puzzlen, Roboter ausschalten
Budget Cuts ist ein Shooter. Zwar müssen wir uns um die feindlichen Roboter kümmern, uns stehen aber keine Pistolen oder Raketenwerfer zur Verfügung, sondern bestenfalls „Brieföffner“. Diese als Bürowerkzeug getarnten Wurfmesser hat Winta für uns in den Büros versteckt. Nun ist die Reichweite geworfener Messer arg begrenzt, wir müssen also recht nah an die Wachen heran um sie zu erledigen. Und wir haben nur wenig Platz im Inventar, was große Munitionsbergen vorbeugt uns, aber auch um jedes geworfene Messer trauern lässt – auch wenn wir es nach getaner Arbeit wieder aus dem Wrack des Roboters pulen können.
Munitionsknappheit, Tod nach nur einem feindlichen Treffer und bestenfalls mysteriöse Andeutungen zu unserer Zukunft von einer seltsamen Person – Budget Cuts erzeugt schon nach kurzer Zeit eine sehr spannende Atmosphäre in der wir wirklich um unser Leben fürchten und schon einmal minutenlang hinter Schreibtischen kauern um der Wache nicht in die Arme zu laufen.
Auf dem Weg durch die verwinkelten Bürogebäude unseres durchgeknallten Chefs treffen wir jedoch viel zu oft auf geschlossene oder mit Keycards gesicherte Türen. Ja, wirklich, Keycards, wie in sehr alten 3D-Shootern. Das uralte Spielprinzip „Suche die Karte, öffne die Tür, töte Gegner und such die nächste Karte“ funktioniert in VR erschreckend gut. Vor allem wenn die Spielwelt so liebevoll gestaltet ist.
Auf Waffenupdates, Crafting oder auch nur Zielfernrohre und Nahkampfwaffen müssen wir zwar verzichten, ihr ahnt aber nicht wie egal euch das schon nach kurzer Zeit ist..
Budget Cuts bietet massenhaft Interaktionen
VR-Spiele mit statischen Umgebungen, in denen sich nichts anfassen und nur fürs Spiel relevante Gegenstände benutzbar sind, kennen wir alle. Sie wirken oft fade und eine richtige Immersion will sich nur selten einstellen. Spiele wie Job Simulator und Rick and Morty zeigen, wie es besser geht: Wenn sich auch unwichtiger Krempel anfassen, aufnehmen und benutzen lässt, wenn andere Spielfiguren darauf reagieren und wir das Gefühl haben wirklich in dieser Welt zu stecken, genau dann fasziniert VR. Die Entwickler von Budget Cuts haben das verstanden und offenbar einen guten Teil der Entwicklungszeit genau für solche Interaktionen genutzt.
Egal ob Klopapier, Clipboards oder Gabeln – wir können so ziemlich alles aufnehmen und damit herumspielen. Erwartet nicht, dass ihr jede Klopapierrolle zum Lösen eines Rätsels braucht, mitunter verbergen sich aber kleine Schätze unter mehreren Blättern Papier oder sehr weit oben auf einem Schrank. Und ja, ich feiere die Entwickler genau für solche Details.
Glücklicherweise tauchen einmal erledigte Wachroboter nach ihrem Ableben nicht wieder auf, wir können uns also oft genug in Ruhe umschauen und hemmungslos Stifte nach Robo-Büroarbeitern werfen. Apropos Ableben: Roboter reagieren extrem niedlich auf Treffer mit einem unserer Wurfmesser. Achtet aber drauf sie auch richtig zu treffen, da sie ansonsten verwundet und vor auslaufendem Öl tropfend durch die Gegend rennen oder sogar auf uns schießen.
Wenn wir neue entdeckte Räume besuchen wollen, bietet sich zuvor der Blick durch unsere „Teleportvorschau“ an – wir können tatsächlich durch das geöffnete Portal schauen, um Gefahren aus dem Weg zu gehen. Teleportieren wir uns in enge Lüftungsschächte, müssen wir uns sogar zuvor ducken. Immersion können sie ja, muss man ihnen lassen. Leider sehen Gegner solche Portale und reagieren darauf nicht unbedingt freundlich, lasst euch also nicht zu viel Zeit..
Roboter haben Humor, auch wenn sie gerade sterben
Und wenn Roboter keinen Humor haben dann lachen wir trotzdem über sie – die harmlosen Büro-Blechgesellen reagieren nämlich extrem lustig auf uns und ihre Arbeit. Es bringt einfach Spaß sie zu ärgern, sorry. So fies es ist, es bringt sogar Spaß sie zu verletzen um zu sehen, wie sie reagieren. Bitte, macht das nie mit eurer Alexa oder Coszmo!
Der Humor sorgt aber auch dafür, dass wir nach packenden Schleichsequenzen und ein paar Nahtoderfahrungen nicht wimmernd in der Ecke kauern, sondern fröhlich die nächsten Räume ansteuern. Könnte ja was lustiges passieren. Oder etwas spannendes, man weiß das ja vorher nie so genau.
Technisch sehr gut gelungen
Auch grafisch erinnert Budget Cuts ein wenig an Job Simulator. Wer hochauflösende und fotorealistische Texturen sucht ist hier falsch. Dafür stimmt die Performance – wir konnten auf der Vive Pro mit einer GTX 1070 problemlos spielen. Einzelne Grafikfehler stören nicht sonderlich. Außerdem sind die Entwickler auch nach Release weiter am bugfixen.
Die Steuerung ist gelungen – wir können per Menüknopf zwischen Teleport-Translokator, einer Lupe (für alle die die Faxe nicht richtig entziffern können..) und einer Greifhand wechseln. Praktisch für Linkshänder: Die Anordnung kann beliebig gewählt werden.
Per Trigger verschießt der Translokator eine kleine blaue Kugel, aus der an geeigneten Stellen ein Portal wird. Durch dieses können wir vorab hindurchspicken, ob am anderen Ende böse Überraschungen lauern. Ein Druck auf die Grip-Tasten sorgt dafür, dass wir das Portal dann auch benutzen. Halten wir Grip beim verschießen der Portalkugel gilt das als Schleichen und wir werden von den Wachen nicht so leicht bemerkt – praktisch, sorgt auf Dauer aber für Krämpfe in der Hand.
Per Touchpad öffnen wir ein Inventar. Ein sehr begrenztes Inventar in das neben den wichtigen Keycards und unserem Pager (der immer wieder neue Nummern von Winta ausspuckt) nur noch eine viel zu kleine Auswahl an „Brieföffnern“ passt. Munitionsmangel, echt fies für Waveshooter-gestählte VR-Rambos!
Die Steuerung ist damit nicht überladen und geht intuitiv von der Hand – alles richtig gemacht, Neat Corporation!
Fazit von Dennis
Budget Cuts ist auf meiner Topspiele-2018-Liste sehr weit oben. Das Spielprinzip ist auch nach zwei Jahren Entwicklung nicht langweilig. Ich könnte jetzt meckern, dass „mehr vom Gleichen“ nach zwei Jahren nicht mehr ausreicht. Aber dann würde ich lügen. Ich bin nämlich extrem glücklich darüber – Neat Corporation haben sich auf die Seele der 2016er-Demo konzentriert und ein verdammt unterhaltsames und erstaunlich immersives Robo-Rätsel-Spiel daraus gebastelt. Für 27,99 Euro bei Steam ist es für mich daher ein Steam-Pflichtkauf und Anwärter auf mein Spiel des Jahres 2018.
Stellt euch einfach Job Simulator mit Waffen und spannenden Schleichszenen vor – wenn das für euch wahnsinnig gut klingt, müsst ihr bei Budget Cuts zuschlagen. Klingt nur wahnsinnig aber nicht gut? Dann lasst es 😉 .
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