Bekannte AAA-Serien in VR, das ist seit langem der Wunsch vieler VR-Gamer. Oft aber mit eher enttäuschendem Ausgang. Wie sich Assassin’s Creed Nexus VR im Test schlägt, lest ihr hier.
Mit gehypten VR-Games großer Publisher verbinde ich kaum gute Erinnerungen. Zugegeben, ein Skyrim VR erfreut sich immer noch großer Beliebtheit, das dürfte aber auch an den vielen Mods liegen, die die Schwächen der sonst eher lieblosen VR-Portierung auswetzen. Fallout 4 VR? Wolfenstein Cyberpilot? Genau, lasst uns den Test eines von vielen ersehnten Spieles doch mal so richtig schön negativ beginnen. Das senkt die Erwartungen.
Aber, Spoiler, das ist gar nicht nötig. Um es ungeduldigen Lesern vorwegzunehmen: Nexus VR ist richtig gut geworden. Warum, versuche ich euch in den folgenden Absätzen zu erklären.
Gespielt habe ich das für Meta Quest 2, Quest 3 und Quest Pro am 16. November 2023 für 39,99 Euro erscheinende Spiel primär auf der Meta Quest 3. Mehrere Kapitel im Spiel habe ich aber zum Vergleich auch mit der Meta Quest 2 absolviert. Den Vorabzugang zum Spiel gab es von Ubisoft, die aber weder finanziell noch anders Einfluss auf den Test genommen haben.
Assassin’s Creed, Retrostyle
Ubisofts historische Spielereihe überzeugte Anfang der 2000er viele Spieler mit ihrem damals noch unverbrauchten Spielprinzip und vor allem dem ungewöhnlichen Setting. Wissenschaftler haben mit dem Animus ein Gerät entwickelt, mit dem sich Erlebnisse vergangener Epochen erleben lassen. Da die dafür nötigen Informationen aus der DNA entsprechender Nachfahren ausgelesen werden müssen, braucht es einen entsprechenden Stammbaum um zu funktionieren.
So durfte der von der Situation etwas überwältigte Desmond Miles in die Haut seiner Vorfahren Altair und Ezio schlüpfen um sich in den ersten AC-Games möglichst unerkannt durch historische Gegebenheiten zu schleichen. Mit der Zeit wurden die Spiele aber um immer mehr und mehr Open World erweitert, so dass ein AC Valhalla kaum noch an die Ursprünge der Serie erinnerte.
Ein Geständnis: Ich mochte Assassin’s Creed II tatsächlich sehr, konnte mich aber nie mit der Steuerung anfreunden. Jeden weiteren Serienteil habe ich zumindest angespielt, meist aber nur so semi-begeistert nach kurzer Zeit wieder abgebrochen. Dabei mag ich die historischen Settings und virtuelle Schurken meucheln liegt mir ebenfalls viel zu sehr im Blut.
Als dann also der Vorabzugang zu Assassin’s Creed Nexus VR eintraf, war ich zwar sehr gespannt aber nur bedingt optimistisch. Wieder so ein Test, durch den man sich auch real und nicht nur spielerisch kämpfen muss? Auch wenn Ubisoft von den großen Publishern noch am ehesten bewiesen hat, VR tatsächlich zu verstehen – große Namen verleiten offenbar einige Entwickler zu liebloser Arbeit weil das Ergebnis ja eh gekauft wird. Ja Bethesda, ihr braucht jetzt gar nicht so unschuldig wegschauen.
Falls ihr es eilig habt: In diesem Video erfahrt ihr ebenfalls alles Wichtige zum Spiel.
Wie ihr ja schon wisst, war der Test von Nexus VR aber im Gegenteil sogar überaus erfreulich. Das liegt aber auch daran, dass mich Nexus VR sehr an Assassin’s Creed II und ähnliche Vertreter der Reihe erinnert. Im Positiven. Und das kombiniert mit einer für mich sehr gut funktionierenden Steuerung. Und für euch sicherlich auch, da sich die Entwickler von Red Storm an bestehenden und in VR gut funktionierenden Steuerungsmechaniken orientiert haben. Ein wenig Boneworks steckt definitiv mit drin.
Nexus VR featuring MR
Vor dem Test dachte ich mir noch, dass der Einsatz des Passthrough der Quest doch sehr gut zu einem Spiel passen würde, in dem ich einen Hacker spiele, der in der Realwelt undercover für die Animus-Verantwortlichen von Abstergo Industries arbeitet, insgeheim aber deren sinistren Pläne zur Bevölkerungskontrolle verhindern möchte. Dann schüttelte ich aber traurig den Kopf, weil ich pessimistischer Vogel lieber keine falschen Hoffnungen aufkommen lassen wollte.
Kurz nach dem Start von Nexus VR schallte dann aber doch ein freudiges Jauchzen durchs Haus: Das Spiel blendet mir tatsächlich ein stark an Minority Report erinnerndes Fenster in mein Wohnzimmer ein, auf dem ich ein Briefing erhalte und ein simples 3D-Rätsel lösen muss. Kein überwältigender Grafikeffekt und auf Quest 2 genauso gut wie auf der eigentlich überlegenen Quest 3 umgesetzt – aber ein so perfekter Einstieg in ein Spiel, in dem es ideal zur Handlung passt.
Auch der folgende VR-Ausflug nach Florenz ist im Rahmen der AC-Handlung logisch, schließlich erlebt der Hauptakteur all die historischen Abenteuer ebenfalls in einer virtuellen Umgebung.
Um was geht es in Nexus VR eigentlich?
Allzu viel von der Handlung will ich euch gar nicht spoilern, erlebt das mal besser selbst. Kurz: Der Animus führt uns in noch nicht Flat gespielte Erlebnisse dreier klassischer AC-Helden: Ezio, Connor und Kassandra. Allesamt etwas gealtert, da die Handlungen in Nexus VR allesamt nach den bekannten Abenteuern der drei Akteure spielen. Im Falle von Kassandra sind sogar gleich 20 Jahre seit ihrem Einsatz in Odyssey vergangen.
Dabei treffen wir natürlich viele Bekannte aus früheren Teilen der Spielreihe, wer mit Assassin’s Creed bisher nichts zu tun hat, verpasst also einige Verbindungen. Genießen und verstehen lässt sich das Spiel dann aber trotzdem.
Die einzelnen Levelpassagen, insgesamt gibt es 14 davon, die jeweils gut eine Stunde dauern – wenn ihr die großzügig verteilten Relikte und Zusatzaufgaben (wie Parcours-Strecken) in den Levels sucht kann sich eure Spielzeit aber noch erweitern. Ich selbst habe insgesamt 15 Stunden daran gespielt, dabei aber einige Teile für diesen Artikel und seine Fotos etwas intensiver begutachtet. Die Befürchtung, die Level wären zu klein und die Spielzeit zu gering, kann ich euch damit hoffentlich nehmen.
Im Spiel bewegt ihr euch frei umher und könnt die für Quest-Verhältnisse recht großen Städte frei erkunden. Und das nicht nur horizontal, so ein richtiger Assassine fühlt sich schließlich auch auf Dächern wohl. Um diese zu erreichen, könnt ihr an sehr vielen Oberflächen klettern, was sich sehr stark wie das Klettern bei Blade&Sorcery oder Boneworks anfühlt. Sicherlich auch, weil unsere Spielfigur nicht nur Arme sondern auch virtuelle Beine hat.
Im Rahmen der verschiedenen Handlungen müsst ihr meist Gegenstände stehlen oder sabotieren, Personen heimlich verfolgen und/oder ermorden, Wachen ausweichen oder, ihr ahnt es, umbringen und immer wieder auch flott durch die Schatten oder über Dächer fliehen.
Mit dabei sind natürlich auch die ikonischen Türme mit den Heuhaufen darunter. Von oben habt ihr eine gute Übersicht über die Stadt und dank unserer Spezialfähigkeiten auch einen Adlerblick, der auch sonst unsichtbare Gegner markiert. Streckt ihr nun die Arme aus und springt in die Tiefe, testet ihr wie gut euer Magen VR verträgt. Und strahlt höchstwahrscheinlich trotzdem wegen des erfolgreichen Leap of Faith. Oder ihr jammert wie mein Sohn, der es geschafft hat, dreimal kopfüber im Kopfsteinpflaster von Florenz zu landen statt im Heu nebenan.
Verursacht Nexus VR Motion Sickness?
Auch wenn Leser der VR-Legion oft schon ihre VR-Legs entwickelt haben und auch ich selbst nicht unter Motion Sickness leide – eine gute Auswahl verschiedener Komfortfunktionen ist in einem Spiel immer löblich. Assassin’s Creed Nexus VR bietet hier die Möglichkeit, verschieden starke Sichtblenden, einen Orientierungspunkt im Sichtfeld oder Gitterfelder unter den Füßen einzublenden. Auch eine Option für unter Höhenangst leidende Menschen gibt es. Vorbildlich! Die höchste Komfortstufe inklusive Teleport-Steuerung und Teleport-Klettern raubt allerdings so viel Immersion, dass ich sehr stark unter Motion Sickness leidenden Personen vom Spiel dann doch eher abraten würde.
Vorbildlich: Die Einstellungsmöglichkeiten inklusiver deutscher Sprachausgabe
Das Optionsmenü ist aber auch abseits der Komforteinstellungen sehr umfangreich. So könnt ihr neben der vorgegebenen englischen Sprachausgabe auch ein deutsches Sprachpaket (kostenlos) herunterladen. Die Sprecher sind professionell gewählt, nur von lippensynchronen Animationen haben die Entwickler offenbar noch nichts gehört. Hört ihr lieber die Originalsprecher, könnt ihr Untertitel einblenden.
Auch die Controller lassen sich einstellen, Linkshänder können so auch die Belegung tauschen. Der Schwierigkeitsgrad lässt sich für die einzelnen Spielmechaniken einzeln einstellen, so dass ihr den Anspruch der Kämpfe, des Schleichens oder der Rätsel nach euren Wünschen gestalten könnt.
Schleichen, Stehlen, Meucheln
Wie sollte es anders sein bei einem Assassin’s Creed: Es wird viel geschlichen. Eigentlich gar nicht so meine Lieblingsbeschäftigung in Spielen, Nachts zum realen Kühlschrank ist eine andere Sache, psst. In Nexus VR fühlt sich das Schleichen aber tatsächlich befriedigend an. Und das, obwohl zumindest im mittleren Schwierigkeitsgrad auch Leeroy Jenkins das Spiel durchspielen kann, sonderlich anspruchsvoll sind die Kämpfe nämlich nur selten.
Zumindest gegen einzelne Gegner, in Scharen werden sie aufgrund ihrer Schusswaffen dann doch gefährlich. Vieles lässt sich zwar schnell mit den etwas sehr mächtigen eigenen Fernwaffen (Wurfmesser, Bögen, Armbrust oder Tomahawk beispielsweise) regeln, diese sind aber in der Menge begrenzt. Zupft eure Wurfmesser also besser immer wieder aus den Gegnern.
Und wenn ihr schon dabei seid, solltet ihr besonders offensichtlich im Weg herumliegende Leichen in dunkle Ecken zerren, damit ihre Kollegen keinen Alarm auslösen. Wobei sich der Alarm auch deaktivieren lässt, einmal ausgelöst aber für etwas viel Aufmerksamkeit sorgt.
Erfolgreicher ist es daher mitunter tatsächlich, kreative Wege über Dächer oder durch Lücken und Befestigungen zu finden. Auch wenn sich eure Lebensenergie recht schnell wieder regeneriert.
Gelegentlich gilt es auch einfache Rätsel zu lösen. Nichts hirnschmelzend schwieriges, Reflexionsrätsel, Bodenplatten in bestimmter Reihenfolge abgehen, so etwas. Die Rätsel passen aber gut ins Spiel und die jeweiligen Szenen und fördern den Spielfluss. Wer knackigste Kopfnüsse erwartet, sollte aber vielleicht besser andere Spiele probieren, Nexus VR ist ein Action-Adventure bei dem „Action“ zu recht am Anfang steht.
Fehlt noch was? Ja, Meucheln, ohne gehts natürlich nicht. Unsere Helden haben praktische Klingen an den Unterarmen befestigt, die ihr mit einem Druck auf den Trigger und kurzes Schütteln des Handgelenkes hervorholt. Damit lassen sich besonders befriedigende Sprungattacken und ebenso glücklich machende Stealth-Kills arrangieren. Besonders gut gepanzerte Gegner erfordern aber doch mehr Aufmerksamkeit und Ausrüstung. An Ritterrüstungen prallen sogar eure treuen Wurfmesser wirkungslos ab.
Und das bringt jetzt Spaß, oder was?
Tut es, ich bin selbst verwundert. Sogar so sehr, dass ich eines Abends fest davon überzeugt war, maximal 30 Minuten gespielt zu haben, meine Uhr aber dreist behauptete, es wären bereits mehr als zwei Stunden vergangen. Ups. Aber ein gutes Zeichen, so etwas passiert mir inzwischen doch eher selten.
Aufgrund der eingängigen Steuerung, die sich löblicherweise an Branchenstandards und Spielen wie Boneworks und Blade&Sorcery orientiert, spielt es sich sehr flott und dynamisch. Das Klettern funktioniert elegant und befriedigend. Am meisten Sorge hatte ich Anfangs bei den Kämpfen. Wie Stammleser vielleicht wissen, bevorzuge ich physikbasierte, halbwegs realistische Kämpfe wie im bereits viel zu oft erwähnten Blade&Sorcery während mich casualisierte Kampfsysteme wie beispielsweise in Asgard’s Wrath eher abschrecken. Assassin’s Creed Nexus VR orientiert sich deutlich eher an letzterem als an meinen Lieblingstiteln.
Aber das stört mich erstaunlicherweise gar nicht sonderlich. Das Spiel schaltet bei feindlichen Angriffen in eine Zeitlupe, damit selbst ich eine Ahnung von Assassinenreflexen bekommen kann. In diesem Zeitfenster lässt sich der Angriff blockieren und kontern. Reinen draufdreschen hat nur selten Erfolg, da die Gegner dann stur parieren. Trotzdem fühlt es sich nicht ganz so festgelegt an, wann und wo und wie ich jetzt genau zuschlagen darf damit es weitergeht. Ich muss die Kämpfe nicht auswendig lernen sondern kann trotzdem halbwegs frei agieren.
Fernkampfwaffen haben eine kräftige Zielhilfe eingebaut. Mit im Level herumstehenden Tellern treffe ich jedenfalls nicht mal die Kirche vor mir, mit dem Wurfmesser aber jeden Gegner aus großer Entfernung. Nun, Teilbegabung vielleicht.
Aber apropos Teller im Level: Vieles lässt sich werfen um Gegner abzulenken. Wollt ihr die Aufmerksamkeit direkt auf euch richten, könnt ihr auch einen Kreis mit den Fingern formen und an den Mund halten um zu pfeifen.
Nexus VR besser mit Quest 2 oder Quest 3?
Wie eingangs erwähnt habe ich das Spiel die meiste Zeit mit der Meta Quest 3 gespielt, für einige Level habe ich aber (Cloudsaving ist echt praktisch..) auch die inzwischen etwas eingestaubte Quest 2 reaktiviert. Grafisch bietet das Spiel auf beiden Plattformen keine HiRes-Texturen, die Quest 2 schaltet aber viel früher weitere Details im Level of Detail herunter.
Dazu gehören auch Beleuchtungsqualität und Schatten, teils reicht es, wenige Meter von größeren Objekten entfernt auf sie zuzugehen um den Qualitätssprung ab einer gewissen Grenze zu sehen. Auch generell bietet die Quest 2 etwas matschigere Texturen und weniger Details. Die MR-Sequenzen sind aber auf beiden Plattformen fast identisch nutzbar.
Das klingt jetzt alles sehr negativ für die Quest 2, so schlimm ist es aber nicht. Habt ihr nicht gerade bewusst den Unterschied gesehen weil ihr zwischen den Brillen switcht, dürfte es euch gar nicht stören. Ubisoft ist das Kunststück gelungen, das Spiel auf der Quest 3 noch besser aussehen zu lassen ohne Quest-2-Nutzer übermäßig zu benachteilen.
Dass aber auch die Quest 3 stark ausgereizt wird, ist spätestens dann sichtbar, wenn simultane Videoaufnahmen im Gerät zu Stuttering führt. Das passiert aber selten und dann auch nur in sehr belebten Umgebungen.
Fazit: Mission erfolgreich, Spiel gut
Mir hat Assassin’s Creed Nexus VR richtig gut gefallen. Es hebt sich wohltuend von vielen anderen VR-Games ab, auch wenn es immer noch denen einen oder anderen Wunsch offen lässt. Eine PC- oder PSVR2-Fassung beispielsweise, mit richtig hübscher Grafik. Versteht mich nicht falsch, angesichts der Möglichkeiten der in einer Quest 3 verbauten Hardware, ist Nexus VR durchaus beeindruckend. Schließlich fressen die großen Areale viel Leistung. Aber stellt euch das einmal mit ungebremster Leistung vor.
Einer Quest-Version vergebe ich auch die hölzernen Animationen. Zwiespältiger bin ich bei der eher seichten Handlung, fehlenden Nebenmissionen und teils etwas chaotischer Physik. Alles in allem überwiegen aber die positiven Gefühle – ich hatte in der gesamten Spielzeit viel Spaß und musste mich nicht zwingen, in der letzten Woche täglich stundenlang VR zu zocken weil halt der Test geschrieben werden muss. Nexus VR ist nicht auf einem Level mit beispielsweise Half-Life: Alyx aber es ist ein überzeugendes VR-Game, das auch den Preis von 39,99 Euro wert ist.
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